Unter dem Titel „Die sieben Schritte des Scheiterns“ beschreiben der Journalist Thomas Müller und die Journalistin Patrizia Messmer, warum viele IT-Projekte scheitern – sei es durch fehlende Zielsetzung, überbordende Komplexität oder eine unterschätzte Projektkultur.
Dieser Artikel hat uns bei Netzwerk Kadertraining inspiriert, über unsere KI-Projekte nochmal neu nachzudenken und unsere Prinzipien festzuhalten.
In diesem Beitrag nehmen wir die sieben Punkte aus dem NZZ-Artikel als Grundlage – und zeigen, wie wir in der Praxis unsere KI-Projekte so gestalten, dass sie nicht nur technologisch innovativ, sondern auch langfristig erfolgreich sind.
Verglichen mit den im Artikel angesprochenen Grossprojekten sind unsere KI-Projekte deutlich kleiner – aber der Anspruch bleibt derselbe: Wir wollen Fehler vermeiden, aus den Erfahrungen anderer lernen und unsere Projekte so gestalten, dass sie langfristig erfolgreich sind.
Deshalb haben wir unser eigenes KI-Projekt kritisch überprüft: Wo stehen wir? Welche Risiken haben wir bedacht? Und wo könnten auch wir in klassische Fallstricke geraten?
Denn eines ist sicher: Erfolgreiche KI-Entwicklung beginnt nicht beim Code – sie beginnt mit einer klaren Strategie, einer starken Kultur und einer präzisen Umsetzung.
Hier sind die sieben häufigsten Fehler – und wie man sie vermeidet.
- Fehlt der Sinn, scheitert das Projekt – Klare Zielsetzung ist entscheidend
Fehler: Unklare Vision und fehlender Nutzen
Viele KI-Projekte starten mit der Idee, „irgendwas mit KI“ zu machen, ohne sich darüber klar zu werden, welchen konkreten Nutzen das Instrument haben soll.
Besser machen: Ein klares Ziel setzen
- Nutzen und Mehrwert genau identifizieren: Was soll das KI-Instrument optimieren, automatisieren oder verbessern?
- Für wen ist das KI-Instrument gedacht: Die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzerinnen und Nutzer kennen.
- Erfolgsmessung schon von Anfang an mitdenken: Geschwindigkeit, Genauigkeit, Nutzerfreundlichkeit – welche KPI’s sind wichtig?
Praxis-Tipp: Die Zielgruppe gut kennen und vor Projektstart Interviews mit potenziellen Nutzer:innen führen, um den tatsächlichen Bedarf zu identifizieren.
- Zu viele wollen zu viel – Fokus statt Überfrachtung
Fehler: Das Projekt wird überladen
Viele KI-Projekte scheitern, weil sie zu viele Funktionen in einer Lösung vereinen wollen. Das führt zu Komplexität, unübersichtlicher Benutzerführung und langen Entwicklungszeiten.
Besser machen: Agil entwickeln und mit einem MVP starten
- Minimal Viable Product (MVP) erstellen: Erst die Kernfunktionen bauen, dann iterativ erweitern.
- Regelmässige Tests mit echten Nutzerinnen und Nutzern durchführen, um frühzeitig Optimierungspotenzial zu erkennen und anpassen zu können.
- Anpassungsfähig bleiben und Flexibilität behalten: KI-Systeme lernen mit Daten – das erfordert regelmässige Justierungen. Nutzerfokus ist entscheidend.
Praxis-Tipp: Statt eines grossen, teuren KI-Systems, das Jahre dauert, erst eine funktionale Testversion mit realen Anwendungsfällen launchen.
- Die Illusion der guten Planung – Flexibilität ist entscheidend
Fehler: Starre Pläne, die keine Anpassungen erlauben
Planung ist wichtig, aber ein zu detaillierter, unveränderbarer Plan ignoriert, dass sich Anforderungen im Laufe des Projekts ändern.
Besser machen: Planung als dynamischen Prozess verstehen und Zusammenarbeit strukturiert gestalten
- Mit einem iterativen Ansatz arbeiten und regelmässige Meetings mit allen Beteiligten.
- Echte Nutzendendaten zur Entscheidungsfindung nutzen und Beta-Tests durchführen.
- Klare Verantwortlichkeiten festlegen: Wer entscheidet über technische Features, wer über Benutzerfreundlichkeit?
Praxis-Tipp: Statt alles von Anfang an durchdefinieren, regelmässig evaluieren, ob sich Anforderungen geändert haben.
- Wuchernder Wildwuchs beim Organigramm – Klare Zuständigkeiten schaffen
Fehler: Zu viele Teams, unklare Verantwortlichkeiten
Wenn KI-Projekte auf verschiedene Abteilungen verteilt sind, ohne eine zentrale Steuerung, entstehen Chaos, Doppelarbeit und Entscheidungsstau. Niemand fühlt sich so richtig verantwortlich, und wichtige Weichenstellungen bleiben aus.
Besser machen: Klare Rollen und Entscheidungswege festlegen
- Ein klares Kernteam benennen, das das Projekt steuert.
- Rollen und Verantwortlichkeiten schriftlich definieren, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Schnittstellen zwischen Entwicklung, Business und Nutzer:innen klar festlegen, damit alle am gleichen Strang ziehen.
Praxis-Tipp: Eine zentrale „Product Owner“-Rolle sorgt für klare Prioritäten, trifft Entscheidungen und hält das Projekt auf Kurs.
- Es scheitert an der Kultur, nicht an der Technik – Zusammenarbeit fördern
Fehler: Fehlende Zusammenarbeit, isolierte Teams, fehlende interdisziplinäre Kooperation
Viele KI-Projekte scheitern nicht an der Technik, sondern daran, dass Entwickler:innen, Fachabteilungen und Nutzer:innen nicht miteinander arbeiten. Ohne enge Zusammenarbeit entsteht die Gefahr für Missverständnisse, falsche Prioritäten und Lösungen, die in der Praxis nicht funktionieren.
Besser machen: Interdisziplinäre Teams schaffen und starke Kooperationskultur etablieren.
- Interdisziplinäre Teams bilden, in denen technische und fachliche Expertise zusammenkommen.
- Regelmässige Austauschrunden mit Nutzerinnen und Nutzern organisieren, um Wissen zu teilen und Hürden früh zu erkennen, damit das KI-Tool ihren tatsächlichen Bedürfnissen entspricht.
- Eine offene Fehler- und Feedbackkultur fördern, in der Herausforderungen als Lernchancen gesehen werden.
Praxis-Tipp: Regelmässige Retrospektiven helfen, Spannungen im Team frühzeitig zu lösen, Silos aufzubrechen und das Projekt dynamisch weiterzuentwickeln. Denn nur, wenn Menschen gut zusammenarbeiten, kann KI ihr volles Potenzial entfalten.
- Wassermelone und Helikopter – Fehler richtig managen
Fehler: Probleme werden übersehen oder zu stark kontrolliert, kein schönreden oder überkontrollieren
Viele KI-Projekte scheitern, weil Probleme nicht ehrlich adressiert werden. Zwei gegensätzliche Fehler treten dabei häufig auf und werden in der Fachsprache oft mit diesen Bildern beschrieben:
Die „Wassermelonen-Methode: Nach aussen scheint das Projekt grün (alles läuft gut), aber intern gibt es massive Probleme, die ignoriert oder verschwiegen werden.
Helikopter-Management: Führungskräfte versuchen, jedes Detail zu kontrollieren anstatt dem Team zu vertrauen. Das erstickt jegliche Innovation und verhindert Eigenverantwortung und nimmt oft den Mut, Probleme früh genug anzusprechen, statt zu ignorieren.
Besser machen: Probleme offen ansprechen und Verantwortung verteilen
- Fehler als natürlichen Bestandteil komplexer Projekte akzeptieren und regelmässige Risikoanalysen durchführen: Wer behauptet, es gäbe keine Probleme, schaut nicht genau genug hin.
- Offene Fehlerkultur etablieren: Probleme müssen früh angesprochen werden, ohne dass das Team Angst vor negativen Konsequenzen hat. So können Hürden realistisch zu bewertet und frühzeitig gegengesteuert werden.
- Autonome Teams fördern, die eigenverantwortlich arbeiten und Probleme selbst lösen können – statt auf Anweisungen von oben zu warten.
Praxis-Tipp: In Projektmeetings gezielt nach Herausforderungen fragen und nicht nur Erfolge feiern. Gute Führung bedeutet, sich mit den schwierigen Aspekten auseinanderzusetzen – nicht sie zu verdrängen.
- Nach dem Projekt ist vor dem Projekt – Nachhaltige Entwicklung sicherstellen
Fehler: Kein langfristiger Plan für Weiterentwicklung und Projektabschluss ohne langfristige Strategie
Viele KI-Projekte werden nach dem ersten erfolgreichen Launch als „abgeschlossen“ betrachtet. Doch genau hier beginnt die eigentliche Herausforderung: Ohne kontinuierliche Pflege, Optimierung und Weiterentwicklung verliert ein KI-System schnell an Relevanz und Qualität. Erfolg bedeutet mehr als nur einen guten Start.
Einmal trainierte Modelle können schnell veralten, Datengrundlagen verschieben sich, neue Anforderungen entstehen – und wenn keine klaren Strukturen für Skalierung und Wartung existieren, scheitert das Projekt nicht sofort, sondern langsam und schleichend.
Besser machen: KI als kontinuierlichen Prozess verstehen
Ein nachhaltiges KI-Projekt braucht von Anfang an eine klare Strategie für den langfristigen Betrieb und die Weiterentwicklung. Dabei sind fünf zentrale Handlungsfelder entscheidend:
· Regelmässige Updates & Monitoring: KI-Modelle müssen kontinuierlich mit neuen Daten trainiert werden. Ein klarer Update-Zyklus und automatisierte Warnsysteme für Leistungsabfall verhindern Stillstand.
· Wartung & Skalierung sichern: Zuständigkeiten klar definieren, Wartungskosten einplanen und eine strukturierte Dokumentation pflegen, damit das System langfristig optimiert und weiterentwickelt werden kann.
· Flexibilität und Nutzerfeedback weiter nutzen: Schnittstellen offen gestalten, um künftige Erweiterungen zu ermöglichen. Regelmässige Marktanalysen und direktes Nutzerfeedback helfen, das System an neue Anforderungen anzupassen.
Praxis-Tipp: Ein kontinuierlicher Schulungs- und Optimierungsplan stellt sicher, dass alle Beteiligten mit der Weiterentwicklung Schritt halten können – denn KI ist keine einmalige Lösung, sondern ein dynamischer Lernprozess.
Fazit: Ein KI-Projekt endet nie – es entwickelt sich weiter
Der wahre Erfolg eines KI-Systems zeigt sich nicht am ersten Tag des Launches, sondern in seiner Fähigkeit, sich anzupassen, zu lernen und kontinuierlich besser zu werden.
Wir wollen in unserer Arbeit frühzeitig den Grundstein für eine nachhaltige, wertschöpfende KI legen. Ein Projekt, das langfristig relevant bleibt.
Dabei wollen wir nicht nur die technische Entwicklung beachten, die entscheidend für den langfristigen Erfolg ist, auch Ethik, Datenschutz und Fairness sind zentrale Faktoren, die von Anfang an berücksichtigt werden müssen.
KI-Systeme sind nicht neutral – sie spiegeln die Daten wider, mit denen sie trainiert wurden. Werden Verzerrungen und Diskriminierung nicht aktiv vermieden, kann eine KI ungewollt Menschen benachteiligen oder falsche Entscheidungen treffen. Deshalb setzen wir klare Prinzipien für Transparenz, Datenschutz und Bias-Kontrolle ein. Das gehört für uns genauso zur Weiterentwicklung unseres KI-Systems wie technische Updates.
Ein KI-Instrument erfolgreich zu entwickeln, bedeutet für uns weit mehr als nur eine starke technische Umsetzung. Klare Ziele, ein agiler Ansatz, interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie die langfristige Perspektive sehen wir als entscheidend für den nachhaltigen Erfolg an.
KI soll den Menschen dienen – und das gelingt nur, wenn sie nicht nur leistungsfähig, sondern auch verantwortungsvoll entwickelt wird.