Fachkräftemangel als Dauerbrenner
Am 23. Juli 2025 veröffentlichte die AXA Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Sotomo die vierte Ausgabe ihrer Arbeitsmarktstudie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Befragt wurden 300 Unternehmen aus der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Die Ergebnisse machen deutlich: Der Fachkräftemangel bleibt eine der drängendsten Herausforderungen. Fast die Hälfte der KMU gibt an, dass offene Stellen schwer zu besetzen sind, weitere 40 Prozent sehen zumindest teilweise Schwierigkeiten. Nur eine kleine Minderheit kann ohne Probleme rekrutieren. Verstärkt wird die Lage durch die zunehmenden Personalausfälle aufgrund von Krankheit oder Absenzen, die mittlerweile zu den Top-3-Belastungen zählen.
Mitarbeitende mit mehr Verhandlungsmacht
Die Studie zeigt, dass sich die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt verschoben haben. Mitarbeitende sitzen oft am längeren Hebel: Zwei Drittel der KMU beobachten, dass Beschäftigte verstärkt Forderungen zu Lohn, Arbeitszeit oder Flexibilität stellen. Besonders in der Dienstleistungsbranche kommt es häufiger zu Lohnforderungen, während im Produktionsbereich weniger Bewerbungen eingehen.
Wettbewerb mit Grossunternehmen und Staat
KMU sehen sich nicht nur untereinander im Wettbewerb, sondern besonders in Konkurrenz zu Grossunternehmen und staatlichen Arbeitgebern. Während diese mit höheren Löhnen, Vorsorgeleistungen und Karrierepfaden punkten, setzen KMU auf ihre Stärken: familiäre Atmosphäre, Teamgeist und persönliche Wertschätzung. Gerade für Bewerbende, die eine enge Unternehmenskultur schätzen, kann das ein ausschlaggebender Vorteil sein.
Fachkompetenz trifft soziale Passung
Die Rekrutierung hochspezialisierter Fachkräfte ist für die grosse Mehrheit der KMU eine Herausforderung. Gerade auch Kaderpositionen sind schwer zu besetzen. Demgegenüber sind Einsteiger ohne Berufserfahrung leichter zu gewinnen. In der Studie wird deutlich, dass Werte und soziale Kompetenzen im Vordergrund stehen. Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Teamfähigkeit und Engagement rangieren weit vor reiner Fachkompetenz. Rund drei Viertel der Unternehmen bevorzugen Kandidatinnen und Kandidaten, die ins Team passen, gegenüber Bewerbenden mit überragendem Fachwissen, aber einer Vermutung zur schwächeren sozialen Integration.
Vielfalt gewinnt an Bedeutung
Über die Hälfte der KMU erachtet Vielfalt als wichtig, doch die Umsetzung steckt vielerorts noch in den Kinderschuhen. Zwar haben fast die Hälfte konkrete Massnahmen ergriffen, etwa zur Förderung junger Mitarbeitender oder zur Erhöhung des Frauenanteils. Bei der Einstellung spielt Vielfalt aber bisher nur in gut einem Viertel der Fälle eine zentrale Rolle.
Flexiblere Arbeitsmodelle auf dem Vormarsch
Um den steigenden Erwartungen von Mitarbeitenden zu begegnen, setzen KMU verstärkt auf flexible Arbeitsmodelle. Mehr als die Hälfte bietet inzwischen flexiblere Arbeitszeiten, knapp die Hälfte ermöglicht variablere Arbeitspensen. Zusätzliche Benefits, verbesserte Vorsorgeleistungen oder gezielte Lohnerhöhungen sollen die Attraktivität als Arbeitgeber zusätzlich stärken.
Optimismus trotz Sorgen um Nachwuchs und Nachfolge
Trotz dieser Herausforderungen blicken die KMU optimistisch nach vorne: Über 90 Prozent gehen davon aus, dass sie auch in zehn Jahren noch bestehen werden. Sorgen bereiten allerdings wirtschaftliche Unsicherheiten, veränderte Kundenbedürfnisse und vor allem Nachwuchs und Nachfolge. Fast die Hälfte der Unternehmen bezeichnet die Nachfolgeregelung als schwierig.
Was bedeutet das für Stellensuchende in der Schweiz?
Die Ergebnisse der Studie zeigen klar, dass Bewerbende heute gute Chancen haben – aber sie müssen wissen, wo die Prioritäten der KMU liegen.
Der Fachkräftemangel öffnet Türen, doch in der Auswahl zählt nicht nur Fachwissen. KMU legen grossen Wert auf soziale Kompetenzen: Wer im Gespräch Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Teamfähigkeit und Engagement glaubwürdig vermittelt, hat klare Vorteile gegenüber allen anderen, die versuchen, nur mit Fachlichkeit zu punkten.
Auch die geänderte Verhandlungsmacht der Arbeitnehmenden eröffnet Möglichkeiten. Stellensuchende können ihre Erwartungen an Lohn, Arbeitszeit oder Flexibilität aktiver ansprechen – entscheidend ist dabei, dass sie ihre Forderungen mit ihrem Beitrag zum Unternehmen verbinden.
Zudem zeigt die Studie, dass Flexibilität auf Arbeitgeberseite stark nachgefragt ist. Bewerbende sollten daher betonen, wie sie variable Arbeitszeiten oder unterschiedliche Pensen konstruktiv nutzen können. Damit unterstreichen sie nicht nur ihre Anpassungsfähigkeit, sondern auch ihr Verständnis für die aktuelle Lage der KMU.
Schliesslich lohnt sich ein Blick auf das Thema Vielfalt: Obwohl viele KMU dieses Ziel noch nicht konsequent umsetzen, wird es zunehmend wichtiger. Gerade Frauen, jüngere Berufstätige oder Quereinsteiger können hier Chancen nutzen – besonders, wenn sie ihre Motivation, Lernbereitschaft und Perspektiven klar herausstellen.
Fazit: Wer Fachlichkeit mit sozialer Kompetenz verbindet, seine Erwartungen realistisch, aber selbstbewusst formuliert und im Gespräch Flexibilität sowie Teampassung betont, hat auf dem Schweizer Arbeitsmarkt 2025 beste Karten.