Man glaubt es kaum, aber genau diese Frage wurde mir in gleichem Wortlaut gestellt, von einer Führungskraft auf Stellensuche. Schleichende Verunsicherung macht sich breit, wenn man mit Ablehnung und Kritik auf diesen «neuen Begriff» reagiert. Da wünsche ich mir ein bisschen mehr agiles Denken und die Portion Neugier, um sich mit dem neuen Arbeiten und den neuen Parametern der Arbeitswelt auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund hier einige Antworten auf die Fragen:

 «Woher kommt der Begriff? Was kann das für mich bedeuten? Wie kann ich das für mich nutzen?»

Unbestritten ist: In vielen Stellenanzeigen werden heute agile Kompetenzen gefordert. Das nicht nur, wenn explizite Jobs für Agile Coaches oder Agile Softwareentwickler ausgeschrieben sind. Agilität ist in unserer Arbeitswelt kein Fremdwort mehr und wird für so vieles genutzt und dabei wird der Begriff des «agilen Vorgehens» in vielerlei Varianten interpretiert.

Historie des Begriffes agil

Der Begriff agil stammt laut Duden vom lateinischen Wort «agilis» ab und bedeutet: regsam, beweglich, wendig oder eifrig. Ursprünglich beschrieb der Begriff Menschen, doch er lässt sich ohne weiteres auch auf den organisatorischen Kontext übertragen. Das erste Mal tauchte diese Benennung 1953 in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Gruppenverhalten auf und wurde bis in die 90er Jahre weiter beforscht.

Quelle: «Working Paper in the Theory of Action» (Parsons, Bales und Shils) und Agil-Schema von Talcott Parsons. (vgl. Jensen, 1980, S. 63)

Das heutige Verständnis von agiler Arbeit fusst auf den Formulierungen im Agilen Software-Manifest aus dem Jahr 2001 und wird deutlich prozessorientiert beschrieben mit einem starken Kundenfokus. https://agilemanifesto.org/

Im agilen Manifest ist kurz und bündig festgehalten, welche besseren Möglichkeiten es gibt, um Arbeit zu erledigen und damit zu befriedigenden Ergebnissen für alle zu kommen. 

Individuen und Interaktionen über Prozesse und Tools
Funktionierende Software über umfassende Dokumentation
Kundenzusammenarbeit  über Vertragsverhandlungen
Auf Veränderungen reagieren anstatt einem Plan zu folgen

Weiter heisst es: Die Elemente auf der rechten Seite haben einen Wert – und doch schätzen die Verfasser des Manifestes in ihrer Arbeit die Elemente auf der linken Seite mehr.

Dieser Zusatz wird in den Interpretationen manches Mal vergessen und ist doch so wichtig. Erst damit ist zu verstehen, dass es beides braucht, damit sich Agilität wirklich entfalten kann.

Agiles Verständnis und agiles Mindset

Agiles Vorgehen ist weit mehr als eine reine Prozessoptimierung. Es ist die notwendige Antwort, um mit den Entwicklungen und den stetigen Anforderungen der veränderten Arbeitswelt Schritt zu halten. In vielen Praxisfällen haben sich nach und nach Methoden und Techniken herausgefiltert, um mit den Werten des agilen Manifestes Schaffenskraft, Innovations-Geist und Lernfreude zum Nutzen aller zu fördern und zu kanalisieren. Viele Unternehmen wissen das und setzen heute verschiedene Methoden und Techniken ein und schaffen neue Rahmenbedingungen, um eine sinnvolle Umstellung ihrer Prozesse zu gestalten. Dazu sind sie auf Mitarbeitende angewiesen, die das Wissen, die Freude für die Umsetzung und die Energie für den Einsatz agiler Methoden mitbringen. Diese Haltung fordert und beschreibt das so oft zitierte «agile Mindset».

Den Unterschied zwischen den agilen Prinzipien und den agilen Methoden oder Techniken zu kennen, ist der erste Schritt, um Agilität für sich selbst nutzbar und verstehbar zu machen. Damit fällt es anschliessend leicht, die eigenen Kompetenzen in Bezug auf agiles Arbeiten zu prüfen und zu formulieren. Im Zuge dieser Selbstüberprüfung macht es Sinn, für sich selbst die agilen Prinzipien zu formulieren, die das eigene Arbeiten und die eigene Haltung zur Agilität umschreiben. Agile Techniken und Methoden bilden die konkreten Verfahren ab, um dann damit diese Prinzipien umzusetzen und erfolgreich in eine Struktur zu bringen. Diese Vorbereitung ist Gold wert für den Bewerbungsprozess.

Agile Prinzipien im Bewerbungsprozess formulieren

Die Empfehlung lautet: Verschaffe Dir selbst Klarheit, wie Deine Arbeitsorganisation und Deine Haltung in den agilen Arbeitskontext passen. Dazu hast Du sicher eigene Beispiele aus diesen vier folgenden Dimensionen. Stelle Dir die Fragen und finde Deine Antworten. Es braucht ein bisschen Vorbereitung und dann entdeckst Du vielleicht, dass agiles Arbeiten für Dich nicht nur möglich und freudvoll sein kann, sondern Du das auch in vielen Bereichen längst schon gemacht hast.

Formuliere Deine Haltung und Dein Wissen über agiles Arbeiten in Bezug auf

Geschwindigkeit:

  • Wie schnell und dynamisch reagierst Du und handelst in Deinem Entscheidungsradius und bist Du bereit, andere mit einzubeziehen, um schnell zu neuen guten Lösungen zu kommen?
  • Wie proaktiv und initiativ findest Du schnelle Lösungen oder besser noch, stellst Du die richtigen Fragen und scheust Dich nicht, die unklaren Dinge anzusprechen?

Anpassungsfähigkeit:

  • Wie gut kannst Du Dich auf neue Gegebenheiten einstellen und lernen, so damit umzugehen, dass es für alle zu einem guten Ergebnis kommt?
  • Holst Du Dir regelmässig Feedback, um rasch zu lernen und Dich so auch den veränderten Anforderungen und Bedingungen anpassen zu können?

Kundenzentriertheit:

  • Wie stark liegt Dein Fokus auf dem Kunden, egal ob externer oder interner Auftraggeber, und bist Du bereit, in allen Bereichen konsequent vom Kunden aus zu denken, um punktuell und schnell auf Kundenwünsche zu reagieren?
  • Wie gelingt es Dir, dass Du Dich gemeinsam mit dem Kunden schrittweise den Lösungen näherst, auf Teilziele setzt und das Gesamtziel im Auge behältst?

Kommunikation:

  • Wie stellst Du sicher, Dich in Deiner Arbeit immer wieder offen und mutig der Kommunikation auf Augenhöhe zu stellen und mit allen Beteiligten einen wertschätzenden Umgang zu pflegen?
  • Wie gehst Du mit Fehlern um und wie schnell nutzt Du die Erfahrungen daraus als Lernchance für Dich und andere?

Unterschied Agilität und Flexibilität

Oft werden beide Begriffe synonym verwendet und eine Abgrenzung ist schwierig. Im Kern beschreiben beide Begriffe eben auch Aspekte der Anpassungsfähigkeit. Eine Unterscheidung ist möglich, wenn wir Flexibilität als rein reaktive Anpassung verstehen. Flexibel Handeln heisst, Massnahmen zu ergreifen, um auf die sich zeigenden und veränderten Rahmenbedingungen erfolgreich zu reagieren. Agilität kann demgegenüber als proaktive Anpassung verstanden werden. Mit der agilen Haltung und der agilen Arbeitsweise wird es möglich, neben flexiblem Handeln auch antizipativ und initiativ zu reagieren, um notwendige Veränderungen herbeizuführen.

Positive Aspekte der Agilität für Organisationen und Mitarbeitende

Agiles Arbeiten bietet für die Firmen und Organisationen viele Vorteile. Der Nutzen ist auf beiden Seiten. Drei der wichtigsten Punkte für die Arbeitgeber sind:

  • Die effektivere Zusammenarbeit von Menschen aus verschiedenen Abteilungen und Disziplinen bringt schnellere Entscheidungsfindungen und damit eine Beschleunigung von Entwicklungsprozessen und Innovationen.
  • Mit der frühzeitigen und systematischen Einbindung der Kundensicht wird eine höhere Passgenauigkeit in den Prozessen und Abläufen sowie der Herstellung von Produkten möglich. Das spart Zeit, Geld und Ressourcen.
  • Mit der grösseren Eigenverantwortung der Einzelnen werden anfallende Aufgaben oft selbstverantwortlich übernommen und müssen nicht erst delegiert werden. Die Erhöhung der Transparenz bringt eine schnellere und bessere Steuerungsmöglichkeit mit sich, die für alle entlastend ist.

Agiles Arbeiten bedeutet aber auch, eine neue Unternehmenskultur zu schaffen mit der Konsequenz, allen Mitarbeitenden die Chancen zu eröffnen, ihre Fähigkeit und Bereitschaft zu zeigen, Verantwortung tragen zu können. Damit verzichten Mitarbeitende auf ein Stück Sicherheit und Bequemlichkeit. Die Führungskräfte müssen ihre vermeintliche und oft stark verteidigte Sonderstellung aufgeben und bereit sein, auf Macht zu verzichten. Das passiert nicht von heute auf morgen. Agilität ist nicht einfach eine neue Arbeitstechnik, die man in einem Tages-Workshop erlernen kann.

Vorteile und Nutzen für Dein agiles Arbeiten:

  • Agile Arbeitskulturen, die geprägt sind von Transparenz, Dialog und einer Haltung des vertrauensvollen Austausches in hochflexibler Teamarbeit lassen es zu, dass das Arbeitsumfeld weitgehend nach den eigenen Bedürfnissen gestaltet werden kann.
  • Schnelle und wiederkehrende Feedbackmechanismen ermöglichen stetiges Lernen und ein Miteinander-Erfahrungen-Sammeln und machen Lust dazu, sich eigenverantwortlich zu entfalten.
  • Agiles Arbeiten lässt es zu, dass Wissen von allen an alle weitergegeben wird, man sich ausprobieren und kann und Lernen in Echtzeit passiert.
  • Im agilen Umfeld werden Fehler offen und konstruktiv angesprochen, Kritikfähigkeit wird geschult und die persönliche Kreativität ist genauso gefordert wie der unternehmerische Weitblick und Verantwortungsbewusstsein.

Egal, ob Du Dich nun als ideale Kandidatin oder idealer Kandidat für agiles Arbeiten siehst, probiere es einfach aus, wieviel davon für Dich möglich werden kann. Bereite Dich vor und finde Deine ganz persönlichen Formulierungen für Deine agilen Kompetenzen. Vielleicht gehst Du sogar noch einen Schritt weiter und lernst etwas über agile Methoden und Techniken, wie Scrum, Kanban, Design Thinking, Retrospektiven und mehr. Viel Freude daran, es bleibt spannend.

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