Im Jahr 2024 lanciert von Rundstedt zusammen mit HR Today eine neue Arbeitsmarktstudie. Diesmal wurde die Rekrutierungspraxis der Unternehmen unter die Lupe genommen. In der Befragung prüften sie den zunehmenden Einfluss des Fachkräftemangels, um Antwort auf die Frage zu erhalten, wie sich das Rekrutierungsverhalten der Arbeitgebenden in der Schweiz verändert hat.

Die Studie basiert auf einer umfangreichen Umfrage, an der 936 Personalleitende und Führungskräfte in der ganzen Schweiz teilgenommen haben. Die Ergebnisse sind aufgeschlüsselt nach Branchen, Regionen und Unternehmensgrössen.

Die Ergebnisse der Studie wurden am 13. November in Zürich präsentiert und diskutiert.

Hier die spannenden Erkenntnisse, die in der Pressemitteilung bekannt gemacht wurden:

In der Schweiz wird konservativ und konventionell rekrutiert

Trotz Fachkräftemangel gibt es in der Rekrutierung noch wenig Innovation. Die Personalsuche verläuft konventionell über firmeneigene Websites und Stellenportale. Stellen werden zwar vermehrt auf Social Media veröffentlicht. Reverse Recruiting oder informelle Initiativen über Business Communities oder eigene Mitarbeiter sind noch selten. Auch Bewerbungen müssen konsequent über Bewerberplattformen (ATS) oder Emails eingereicht werden. Soziale Medien und moderne Kommunikationskanäle werden kaum dafür genutzt. Ohne ordentlichen und formellen Lebenslauf ist eine Bewerbung meistens nicht möglich.

Von wegen Future Skills – Firmen suchen nach harten Faktoren wie Branchenerfahrung und Fachwissen

Alle reden von Future Skills. Durch Veränderungsdynamik, Technologie und KI sind nicht mehr primär Fachwissen gefragt, sondern vielmehr transversale Kompetenzen, Lernfähigkeit, Agilität, Veränderungsfähigkeit, Problemlösung und soziale Fähigkeiten. Trotzdem fokussieren Schweizer Firmen bei der Suche und Bewertung von Bewerber:innen praktisch ausschliesslich und häufig mit Nulltoleranz auf Fachwissen und Branchenerfahrung. Das greift zu kurz und erhöht den Druck auf die interne Personalentwicklung.

Der Lebenslauf als Mass aller Dinge

Der formale Lebenslauf ist nach wie vor das Herzstück einer Bewerbung. Obwohl Motivationsschreiben häufig mehr Persönliches über eine:n Bewerber:in aussagen, konzentrieren sich Recruiterenden primär auf die harten und historischen Fakten in einem Lebenslauf, anstatt sich mit den Beweggründen und zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten zu beschäftigen. Obwohl CVs häufig optimiert sind, vertraut man diesen Informationen weit mehr als öffentlichen Informationen auf LinkedIn/Xing.

Neben- und ausserberufliches Engagement weitgehend ausser Acht gelassen

Der starke Fokus auf den funktionalen Hintergrund und die Branchenerfahrung führt dazu, dass neben- und ausserberufliche Engagements weitgehend ausser Acht gelassen werden. Militärische Führungserfahrungen, nebenberufliche Tätigkeiten und Sabbaticals haben häufig weder einen positiven noch negativen Einfluss auf die Bewertung eines Bewerberprofils.

Alle reden von Weiterbildung

In der Rekrutierung interessiert das nur beschränkt. Weiterbildung gilt als zentrales Element, um in der heutigen Veränderungsdynamik arbeitsmarktfähig zu bleiben. Spezifische Weiterbildungen sind bei den zwingenden Anforderungskriterien aber viel weniger stark vertreten als Altersvorgaben, Sprachkenntnisse oder Branchenjahre. Auch die Qualität und Reputation der Bildungsinstitutionen interessiert nicht gross. Es ist also weitgehend egal, wo jemand einen Bachelor oder ein CAS absolviert hat. Das weist alles darauf hin, dass der Substanz der Weiterbildungsaktivitäten der Bewerbenden keine grosse Wichtigkeit beigemessen wird.

Blindbewerbungen sind besser und effektiver als ihr Ruf

Blindbewerbungen werden in Firmen sehr ernst genommen. Sie werden systematisch und sorgfältig geprüft und intern gezielt weitergeleitet. Sie werden weiterverfolgt, sofern sie inhaltlich Sinn machen. Wichtig ist bei der Spontanbewerbung, dass sauber aufgezeigt wird, warum sie erfolgt und sinnvoll ist. Die inhaltliche und emotionale Verbindung zum Zielunternehmen muss plausibel aufgezeigt werden. Mit einem überzeugenden Motivationsschreiben haben Spontanbewerbungen realistische Erfolgschancen.

Referenzen statt Arbeitszeugnisse – Informelle Referenzanfragen auf dem Vormarsch

Arbeitszeugnisse haben zwar bei vielen Firmen inhaltlich ausgedient. Sie sind aber nach wie vor eine formale Notwendigkeit. Nicht ordnungsgemässe oder negative Arbeitszeugnisse können Bewerbende a priori vom Prozess ausschliessen. Sie tragen aber schlussendlich kaum zum Bewerbungs- und Stellenerfolg bei. Viel wichtiger sind in der Schweiz persönliche Referenzen. Dabei setzen bereits über die Hälfte der Recruiter:innen und Firmen auf informelle Referenzen von persönlichen Kontakten, obwohl solche Anfragen rechtlich unzulässig sind.

Potenzial von Social Media noch zu wenig genutzt

Auf Social Media wird zwar fleissig Employer Branding betrieben und offene Vakanzen veröffentlicht. Bewerben können sich Interessenten aber nicht direkt über die sozialen Plattformen. Man wird sofort auf die regulären Bewerbungskanäle verwiesen. Die Informationsfülle der sozialen Medien wird auch kaum zur Einschätzung und Bewertung von Kandidaten benutzt. Obwohl öffentliche Informationen auf sozialen Plattformen in der Regel stärker abgesichert sind als in optimierten Lebensläufen, werden die Daten und Bewertungen auf LinkedIn/Xing kaum berücksichtigt.

Grosser Aufholbedarf bei der Nutzung von KI

Alle sind sich einig, dass vor allem bei der Personalsuche, dem Bewerbendenmanagement und der Bewertung von Bewerbendenprofilen ein grosses Nutzungspotenzial von KI besteht. Trotzdem setzen heute die wenigsten Recruiter:innen und Firmen gezielt und systematisch KI-unterstützte Tools in der Rekrutierung ein. Stattdessen wird stark auf die Gefahren von KI hingewiesen. Es scheint nach wie vor ein grosses Unbehagen im Umgang mit KI und Unsicherheit gegenüber dem Datenschutz und einer bald erwarteten KI-Regulierung zu bestehen.

Bereits bekannte Trends auf dem Schweizer Arbeitsmarkt haben sich klar bestätigt. Die Altersdiskriminierung reisst trotz Fachkräftemangel und zunehmender Sensibilisierung nicht ab. Die Nulltoleranz der Firmen gegenüber den Wunschanforderungen bei Fachwissen, Funktion und Branche erschwert eine Quereinsteigerkultur. Wichtige berufliche Neuorientierungen werden dadurch beeinträchtigt. Vor allem der Branchenkult vieler Firmen macht vielen Bewerbenden zu schaffen.

Weitere Hintergrundartikel und Beiträge zum Studieninhalt und Thema Rekrutierungspraxis Schweiz sind auf der Projekt-Webpage research.hrtoday.ch

Die vollständigen Ergebnisse und Zahlen der gesamten Studie werden im WHITEPAPER zur Schweizer Rekrutierungspraxis im Kontext von Fachkräftemangel und KI veröffentlicht. Hier geht es zu den Ergebnissen und Zahlen.

Netzwerk Kadertraining meint dazu:

Wir sind der Überzeugung, dass sich auch hier vieles sehr schnell ändern wird. So werden Firmen immer schneller bereit sein, KI in den Rekrutierungsprozess zu integrieren. Das Potenzial ist erkannt und immer mehr Unternehmen werden diese Technologien bald systematisch einsetzen.

Unternehmen, die heute nur auf Fachwissen und Branchenerfahrung fokussieren, verpassen es, die transversalen Kompetenzen wie Lernfähigkeit, Agilität und Problemlösungsfähigkeiten zu beachten. Doch es findet auch hier ein Umdenken statt hin zu den notwendigen Future Skills.

Transversale Kompetenzen

Man nennt diese Fähigkeiten, die man als Future Skills in der Zukunft benötigt auch übertragbare Fähigkeiten oder „transversale Kompetenzen“. Darunter werden alle Fähigkeiten verstanden, welche Personen haben, die für viele Stellenprofile und Branchenbereiche relevant sind. Ganz allgemein handelt es sich um Fähigkeiten, die in einem Kontext oder in der Bewältigung einer Situation erworben wurden und auf andere Situationen und anderen Kontexte übertragen werden können.

Wir empfehlen, sich im Bewerbungskontext auf jeden Fall darauf vorzubereiten:

  • Betone Deine Soft Skills
    Neben fachlicher Expertise legen Unternehmen zunehmend Wert auf soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke und Anpassungsfähigkeit. Hebe diese Fähigkeiten in Deinem Lebenslauf und während Vorstellungsgesprächen hervor.
  • Setze auf kontinuierliche Weiterbildung
    Aktuelle Kenntnisse und Fähigkeiten sind entscheidend. Investiere in Fortbildungen und Zertifikate, um Deine Qualifikationen zu erweitern und Dich von anderen Bewerbenden abzuheben.
  • Nutze digitale Netzwerke
    Plattformen wie LinkedIn bieten hervorragende Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen und sich potenziellen Arbeitgebenden zu präsentieren. Ein professionelles Profil kann Türen öffnen und Deine Sichtbarkeit erhöhen.
  • Bereite Dich auf digitale Bewerbungsprozesse vor
    Viele Unternehmen setzen schon auf Online-Bewerbungen und virtuelle Vorstellungsgespräche. Stelle sicher, dass Du mit den entsprechenden Technologien vertraut bist und Dich in digitalen Umgebungen sicher bewegen kannst.
  • Gebe Deine Bewerbungsunterlagen individuell an
    Jede Bewerbung sollte auf die spezifische Stelle und das Unternehmen zugeschnitten sein. Zeige, wie Deine Erfahrungen und Fähigkeiten den Anforderungen der Position entsprechen.
  • Sei offen für verschiedene Branchen
    Deine Fähigkeiten könnten in unterschiedlichen Sektoren gefragt sein. Erweitere Deinen Suchradius und prüfe, wie Deine Kompetenzen in anderen Bereichen eingesetzt werden können.
  • Bereite Dich auf Fragen zu KI und Digitalisierung vor
    Unternehmen interessieren sich zunehmend für Deine Einstellung zu neuen Technologien. Zeige Offenheit und Bereitschaft, Dich in diesen Bereichen weiterzubilden und mit digitalen Tools zu arbeiten.

Diese Tipps können Deine Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen und Dir helfen, Dich erfolgreich zu positionieren.

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