Fehlende Digitalisierung macht Home-Office für öffentliche Verwaltung schwierig

Im Rahmen des «Digital Government Survey» hat Deloitte Schweiz im August 2020 eine repräsentative Umfrage unter 1’500 Personen, darunter 500 Verwaltungsangestellte, durchgeführt, und sie zum Thema Digitalisierung und E-Government befragt.

Der Anteil der Verwaltungsangestellten, die während der Corona-Krise vollständig von zu Hause aus arbeiten konnten, liegt mit durchschnittlich 25 % unter dem Gesamtdurchschnitt aller Schweizer Beschäftigten (30 %). Vergleicht man die Home-Office-Kapazität der öffentlichen Verwaltungen mit anderen bürobasierten Industrien in der Privatwirtschaft wie beispielsweise Informations- und Kommunikationstechnologie (65 %) oder dem Finanz- und Versicherungswesen (50 %), zeigt sich sogar noch eine grössere Diskrepanz. Bei der Bundesverwaltung waren es beispielsweise gut ein Drittel (33 %) der Angestellten, die problemlos von zu Hause aus arbeiten könnten. Bei Kantonen (27 %) und Gemeinden (15 %) waren es weit weniger.

«Der allgemeine Trend zu mehr Home-Office hat sich in der Privatwirtschaft mit der Einführung von flexiblen Arbeitsplatzmodellen schon über die letzten Jahre hinweg verstärkt», erklärt Philipp Roth, Leiter Öffentlicher Sektor bei Deloitte Schweiz. «Bei den Behörden und der öffentlichen Verwaltung scheint dieser Trend jedoch noch nicht richtig angekommen zu sein.»

Technische Voraussetzungen und Knowhow für virtuelles Arbeiten fehlen

Flexibles und effizientes Arbeiten im Home-Office setzt die richtigen Ressourcen und Technologien voraus. Nur 29 % der befragten Verwaltungsangestellten konnten sofort ohne technische Hindernisse virtuell von zu Hause aus arbeiten. Fast drei Viertel (71 %) kämpften mit Frustration, weil sie auf technische Aufrüstung mehrere Tage oder gar Wochen warten mussten oder diese gar nie erhielten.

«Studien haben gezeigt, dass schon vor der Pandemie eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung bereit für mehr elektronische Dienstleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden war», erklärt Rolf Brügger, Director for Government & Public Services bei Deloitte Schweiz. «Die aktuelle Krise hat dieses Bedürfnis nochmals vergrössert. Nimmt man das Beispiel der 1,9 Millionen Arbeitnehmenden, die sich für Kurzarbeitsentschädigung registrieren mussten, sieht man, wie viele dieser Dienstleistungen nicht genügend digitalisiert sind. In den Registrierungsprozessen verbargen sich mehrere sogenannte Medienbrüche. Antragsteller konnten deshalb Formulare nicht elektronisch übermitteln, sondern mussten diese auf Papier ausdrucken und per Post an die Behörden schicken», so Brügger.

Mehrheit der Verwaltungsangestellten sind für mehr E-Government
Eine Mehrheit der Schweizer Verwaltungsangestellten (56 %) spricht sich für mehr Digitalisierung in der Verwaltung aus. Ein relativ hoher Anteil von 39 % sieht jedoch keinen zusätzlichen Bedarf für digitale Abläufe oder Dienste. «Oft liegt es an einer mangelnden IT-Infrastruktur, die es den Mitarbeitenden gar nicht erst ermöglicht, die Vorteile der Digitalisierung richtig zu nutzen und kennenzulernen», meint Brügger.

Momentum nutzen, Hürden abbauen

Die derzeit bestehenden Digitalisierungshürden sind nach Meinung der befragten Verwaltungsangestellten die rechtlichen Rahmenbedingungen (37 %), Hard- und Software (30 %) sowie die physische Infrastruktur (14 %). «Die Schaffung entsprechender rechtlichen Grundlagen sind wichtig – z. B. bei der elektronischen Unterschrift», sagt Brügger. «Gleichzeitig hat die Corona-Krise gezeigt, dass es möglich ist, Veränderungen sehr schnell umzusetzen. Es gilt jetzt, dieses Momentum zu nutzen und nachhaltig in die Digitalisierung zu investieren.»

Sehen und Lesen Sie dazu mehr

Hier finden Sie das Video-Interview mit Rolf Brügger, Director for Government & Public Services bei Deloitte Schweiz.

Hier finden Sie die Zusammenfassung der Deloitte-Studie in der werbewoche.

Netzwerk Kadertraining meint dazu

Die Corona-Krise hat in vielen Organisationen die Schwächen und Versäumnisse der letzten Jahre klarer ans Licht gebracht. So zeigt sich auch, dass vor allem bei der Digitalisierung die Behörden in der Schweiz noch viel nachzuholen haben. Wir sind aber sicher, dass auch dort das Know-How in Sachen Digitalisierung vorhanden ist. Es braucht mutige Schritte und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen.

Wenn heute Fach- und Führungskräfte auf der Suche nach neuen Stellen und Herausforderungen sind, prüfen sie auf jeden Fall, wie die Voraussetzungen in den Organisationen sind. Wie ist der Stand der Digitalisierung, wie gut ist die technische Unterstützung und wie klar stehen die Führungskräfte der neuen Arbeitswelt positiv gegenüber. Wer gute Mitarbeitende will, muss sich als Arbeitgeber zukunftsfähig zeigen, das gilt auch für die Führungskräfte in den Organisationen und Verwaltungen.

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